Der heilige Franziskus wird gemeinhin zuerst mit Armut und Schöpfung in Verbindung gebracht. Weniger bekannt ist, dass das erste Krippenspiel auf ihn zurückgeht. An Heiligabend im Jahr 1223 wurde die Geburt Christi in einer Höhle bei Greccio lebendig greifbar.
Deswegen hat die franziskanische Familie eine enge Verbindung zu Weihnachtskripppen. Franziskanische Klöster feiern die Geburt Christi oft auf sehr anschauliche Art und Weise und halten so das geistiges Erbe des Ordensgründers lebendig in Ehren. Die Franziskanerinnen vom göttlichen Herzen Jesu in Gengenbach arrangieren jedes Jahr sehr liebevoll einen Advents- und Weihnachtsweg in ihrem Klostergarten. Und die Franziskanerinnen von Bonlanden haben eine wunderschöne Krippenausstellung, die ganzjährig besucht werden kann.
Scherenschnitt aus Holz
Im Kloster Bonlanden habe ich auch das Foto aufgenommen. Es zeigt das Geschehen der Heiligen Nacht in Form eines Scherenschnitts aus Holz, der sehr schön beleuchtet wird. Die Menschwerdung Gottes erstrahlt zentral im warmen Licht. Die Figuren erscheinen scharf gestochen und gleichzeitig schlicht und einfach. Das Gesamtbild erzeugt den Eindruck einer Höhle. Die Lichtszene wird von einem schwarzen Rahmen, der ins bräunliche übergeht, umhüllt. Im Vordergrund steht Franziskus im Wald mit zum Lobpreis erhobenen Händen und Armen. Es ist Nacht und er ist, so wie man ihn kennt, von Tieren umringt. Der Gesamteindruck ist mystisch. Alle Personen und Tiere schauen gebannt nach vorne und halten ehrfuchtsvoll Abstand. Die Welt steht still vor einem kleinen Kind in der Krippe, denn:
„Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“
Weihnachtsevangelium nach Lukas
Besser kann man dieses Geheimnis der Heiligen Nacht nicht darstellen, finde ich! Dieser Holz-Scherenschnitt kann mit den Augen meditiert werden und fasst den folgenden Text wundersam bildhaft zusammen:
Heiligabend 1223
Thomas von Celano, der Chronist des Franz von Assisi, schildert, was sich an Heiligabend 1223 abgespielt hat:
Franziskus sagte zwei Wochen vor Heiligabend zu einem Mann namens Johannes: „Wenn du wünschest, dass wir bei Greccio das bevorstehende Fest des Herrn feiern, so gehe eilends hin und richte sorgfältig her, was ich dir sage. Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“
Es nahte aber der Tag der Freude, die Zeit des Jubels kam heran. Aus mehreren Orten wurden die Brüder gerufen. Männer und Frauen jener Gegend bereiteten, so gut sie konnten, freudigen Herzens Kerzen und Fackeln, um damit jene Nacht zu erleuchten, die mit funkelnden Sternen alle Tage und Jahre erhellt hat. Endlich kam der Heilige Gottes, fand alles vorbereitet, sah es und freute sich. Nun wird eine Krippe zurecht gemacht, Heu herbeigebracht, Ochs und Esel herzugeführt. Zu Ehren kommt da die Einfalt, die Armut wird erhöht, die Demut gepriesen und aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem. Hell wie der Tag wird die Nacht und Menschen und Tieren wird sie wonnesam. Die Leute eilen herbei und werden bei dem neuen Geheimnis mit neuer Freude erfüllt. Der Wald erschallt von den Stimmen und die Felsen hallen wider von dem Jubel. Die Brüder singen und bringen Gott gebührende Loblieder dar und die ganze Nacht jauchzt auf in hellem Jubel. Über der Krippe wird ein Hochamt gefeiert.
Da legt der Heilige Gottes die Levitengewänder an, denn er war Diakon, und singt mit wohlklingender Stimme das heilige Evangelium. Und zwar lädt seine Stimme alle zum höchsten Preis ein. Dann predigt er dem umstehenden Volk von der Geburt des armen Königs und bricht in lieblichen Lobpreis über die kleine Stadt Bethlehem aus. Oft wenn er Christus „Jesus“ nennen wollte, nannte er ihn, von übergroßer Liebe erglühend, nur „das Kind von Bethlehem“ und wenn er „Bethlehem“ aussprach, klang es wie von einem blökenden Lämmlein. Es vervielfachten sich dort die Gaben des Allmächtigen, und ein frommer Mann hatte ein wunderbares Gesicht. Er sah nämlich in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Gottes herzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken. Gar nicht unzutreffend ist dieses Gesicht; denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit seiner Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt. Endlich beschließt man die nächtliche Feier und ein jeder kehrt in seliger Freude nach Hause zurück.
So die eindrücklichen Worte von Thomas von Celano. Ich wünsche Ihnen von Herzen eine ruhige, stille, Heilige Nacht im Licht der Fackeln und der Kerzen, mit Gesang bis zum Himmel hoch und ein Stillwerden und Staunen vor einer Krippe.
Quelle des Thomas von Celano-Textes: Franziskanische Studien, Vierteljahresschrift, 70. Band, 1988, Franziskus und die Weihnachtskrippe, Werner Dettloff; https://epub.ub.uni-muenchen.de/8033/1/8033.pdf