Diesen Mal geht es ans Eingemachte im Leben. Um klägliche Versuche, selbst Heilung zu finden, wenn alles im Leben gerade den Bach runter geht. Es geht auch um gut gemeinte christliche Bilder in wunderschöne Worte gekleidet, die manchmal im Dunkeln nicht weiterhelfen. Das klingt ernst? Ist es auch!
Grundgütiger, wie fange ich dieses Thema nur an? Ich habe nicht, wie bereits erwähnt, Theologie studiert und maße mir auch nicht an, hier und jetzt das Leid in dieser Welt zu erklären und die Theodizee-Frage zu wiederholen. Das können studierte und versiertere Geistliche tausend Mal besser als ich! Ich schrieb anfangs auf der Baumkloster-Seite, dass ich keine Ahnung davon habe, wohin mich dieses Bloggen führen wird. Ganz langsam finde ich meinen Weg, was bedeutet, dass ich so einfach und so lebensnah wie nur möglich über geistliche Themen schreiben will. Ohne dabei Ratschläge zu erteilen, denn das kann ich aus meiner eigenen Ratlosigkeit heraus nicht. Ich möchte einfach nur zum Nachdenken anregen. Und dabei komme ich scheinbar immer wieder auf die inneren Bilder zurück.
Eigene innere Bilder
Gut – fange ich mit etwas Greifbaren an: Mit der Band „Coldplay“ und dem Lied „Fix you“, das hier nachzuhören ist. Meines Wissens hat es überhaupt nichts mit dem Glauben zu tun, geschweige denn ist es ein Lobpreis-Lied. Aber der Songtext verdichtet das Thema Leid. Und für mich ist Leid immer subjektiv. Jeder Mensch findet in diesem Lied, das mich schon einige Jahre begleitet, sein eigenes Leid. Mich triggern jedes Mal folgende drei Zeilen, aber im positiven Sinn:
„Lights will guide you home,
Coldplay, Song „Fix You“
and ignite your bones
and I will try to fix you.
Jetzt bin ich ja christlich (katholisch) geprägt und beziehe diese Textzeilen aus diesem Grund schnurstracks auf Gott: Ein Licht leuchtet mir in einer ausweglosen Situation und in völliger Dunkelheit heim und da ist einer, der sagt: „Ich versuche, dich zu heilen!“ Ein schönes Bild. Das englische „fix you“ bringt es kürzer, treffender und besser auf den Punkt. Im Deutschen könnte man es noch mit „Ich versuche, dich wieder aufzurichten“ übersetzen. Da ist nicht einer, der sagt: „Komm schnell zu mir und ich heile dich augenblicklich!“ Er sagt es im Sinne von: „Folge in deiner bodenlosen Kraftlosigkeit nur dem Licht und ich versuche dann, mein Bestes zu geben!“ So meine Auslegung.
Gott, der Anstupfer
Wie auf dem Blogbild denke ich oft, dass Gott einfach Verbandsmaterial heranschleppt und die Wunden erstversorgt. Vielleicht denkt er: „Eijeijei, dieses mein Gotteskind hat es jetzt aber saumäßig gebeutelt. Sieht ja ganz verschrammt aus!“
Kennen Sie die ganz raren Momente im Leben, in denen Gott uns anstupst? Wie mit einem innerlichen Finger? Stups! „Guck-Guck, hier bin ich, weil ich weiß, dass du gerade empfänglich bist.“ Bei der Erstversorgung denkt er womöglich: „Mein Anstupsen kann ich jetzt vergessen, zu groß ist das akute Leid. Dunkelheit überall, kein Empfang möglich, Empfänger kaputt.“ Aber vielleicht lässt er dann einfach sein Auge auf uns ruhen, bewacht uns über eine ganz lange Zeit und erneuert ab und zu die Verbände. Er wartet geduldig auf den einen klitzekleinen Moment, in dem wir das erste Mal wieder kurz den Kopf anheben können und für eine Millisekunde passiv empfangsbereit sind. Dann kommt schnell so ein Stups: „Obacht, da ist das Licht. Kannst du es sehen? In dieser Richtung geht es weiter. Dort bin ich!“
Das ist zumindest mein Bild, das ich mir aus diesem Song gebastelt habe. Solche eigenen, inneren Bilder entstehen bestimmt aus einem Grund heraus. Jeder Mensch wird auf die für ihn allein passende Art und Weise angesprochen, er muss nur auf Empfang ausgerichtet sein, was selten genug vorkommt. Das Leben an sich mit seinen Zerstreuungen, Ablenkungen etc. überwuchert das Empfangsgerät, wie Moos im Garten, das man immer wieder entfernen muss. Gott funkt schnell auf einer bestimmten Frequenz wie mit einem alten Stenotelegraf dazwischen. Quasi eine göttliche Steno-Infusion, die einen wieder aufpäppelt, nährt und erste Orientierung verschafft.
Bilder, die oftmals versagen
Ich möchte nun zu den irgendwie allgemeingültigen, christlichen Bildern umschwenken. Hmmm, Sie merken wahrscheinlich, dass ich nun anfange, etwas herumzueiern, da ich die Wörter „irgendwie“ und „allgemeingültig“ benutze. Ich möchte einfach niemanden auf den Schlips treten. Es gibt sicher Menschen, denen diese weit verbreiteten Bilder gut helfen. Nur mir halt nicht. Am besten benutze ich für das, was ich nun ausdrücken möchte, eine eigene leidvolle Erfahrung: Ich musste mich 2013 einer Chemotherapie unterziehen. Und sah mich dabei mit diesen folgenden bekannten Bildern, sei es mündlich oder auf Postkarten, konfrontiert:
- Die Annahme, dass Leid grundsätzlich einen Sinn hat. Das Dumme daran ist nur, dass man das erst, wenn überhaupt, lange nach dem ertragenen Leid selbst erkennen kann. Aber bestimmt nicht während einer Chemo oder in sonst einer dunklen Lebensphase. Die Vorstellung, sich tapfer an einen besonderen Sinn, der in Krankheit liegen soll, festzuklammern, bringt meines erachtens gar nichts.
- Das christliche Bild von den Spuren im Sand. Ich bin sicher, Sie kennen diesen Text! Darin sagt Gott am Ende, dass er uns durch die schlimmsten Augenblicke unseres Lebens getragen hat. Selbstverständlich ist dieses Bild ein Trost und sehr hilfreich, keine Frage, aber leider halt nur in der Retroperspektive!
- Die Annahme, dass Gott nur so viel Leid zulässt, wie wir ertragen können. Persönlich denke ich, dass dies in manchen Fällen nicht so ganz stimmen kann. Denn Menschen können an Leid sehr wohl zerbrechen, oder nicht?
Verstecktes Leid
Menschen leiden oft versteckt hinter Masken, Fassaden und Rollen. Natürlich meine ich jetzt nicht Corona-Masken!!! Besonders schlimm finde ich es, wenn die Institution „katholische Kirche“ so ein Versteckspiel noch fördert und als Kirche Menschen tief verletzt. Die auf allen medialen Kanälen präsente Aktion und Dokumentation von „out in church“ zeigt dies schonungslos auf. Deswegen lege ich Ihnen ans Herz, bitte diese Petition für eine Kirche ohne Angst zu unterschreiben. Die Doku finden sie hier in der ARD-Mediathek. Die katholische Kirche sollte dieses „Fix you“ mal dringend auf sich selbst beziehen! Jesus predigte und setzte „Fix you“ nämlich in Reinform um. Dazu ist nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen.
Eine dunkle Nacht
Der spanische Mystiker Johannes vom Kreuz ist wahrlich ein Experte in Sachen Dunkelheit. Das können Sie mir glauben! Sein Buch „Die Dunkle Nacht“ ist ein Klassiker und beschreibt die dunkle Nacht der Seele. Ich habe es in der Reha nach der Chemo das erste Mal gelesen und mich darin verstanden gefühlt. Das Buch ist nicht leicht zu lesen, im Bett vor dem Einschlafen schon gar nicht. Ich kann es trotzdem empfehlen, denn es drückt unmissverständlich aus, dass der Mensch durch sein Leid hindurch muss. Da hilft alles nichts. Man wird dabei völlig entblößt, sinnlich wie geistig. Bis eines Tages tief im Loch erstmals wieder der Morgenstern zu sehen ist, der von dem ersten Tageslicht kündet.
Kennen Sie „Fawkes“, den Phönix von Professor Dumbledor in Harry Potter? Der Vogel zerfällt immer wieder zu Asche. Dann entwickelt sich daraus ein prachtvoller und schillernder Vogel in Feuerrot. Die Asche entspricht bildhaft einer Entblößung. Was Johannes vom Kreuz natürlich wirklich beschreibt, ist der Weg hin zur Kontemplation, also zur Vereinung der Seele mit Gott. Ein langer, passiver und beschwerlicher Weg, der ins Licht führt, mit Gedankengut, das auch in den östlichen Weisheiten enthalten ist. Das klingt alles schwer und kompliziert. Aber eigentlich geht es nur um Passivität und Ausharren, was aber immer noch schwierig genug ist…
Musik erreicht die Seele
Jetzt wird es wieder praxisnaher. Kennen Sie das auch: Wenn wir von der Welt nichts mehr wissen wollen, hilft womöglich noch Musik? Sie hat wohl die Fähigkeit, in die dunkelste Dunkelheit zu dringen. Musik kann manchmal noch die Seele erreichen, vielleicht weil sie Versteinertes aufsprengen kann oder sie Seelenzustände auszudrücken vermag, wenn Worte dafür fehlen. Wir können mit einem bestimmten Musikstück, einem Song interagieren, an ihn andocken. Ich will diesen Beitrag somit nicht beenden, ohne Sie auch mit einem Song zu verabschieden. Mit einem typisches Lobpreis-Lied von „DMMK feat. Timo Langner“ namens „Thronsaal“. Hören Sie mal rein! Mich springen immer wieder diese Textzeilen an:
„Ich weiß mich tief geborgen bei Dir meinem Gott,
DMMK feat. Timo Langner, Song „Thronsaal“
ich find Frieden im Thronsaal des Herrn.
Denn der Friede, der jedes Verstehn übersteigt,
schenkt Bewahrung für Herz und Verstand.
Ich leg nieder mein Leben vor Dir meinem Gott!“
Der komplette Songtext bietet reichlich Material, seine ganz persönlichen Bilder zu entwickeln. Wie sieht Ihr Thronsaal aus?