ein Thema passend zur Karwoche: Es war im vergangenen Spätsommer als ich beruflich im Schwarzwald unterwegs war. Beim Anblick eines Kreuzes mit Korpus sagte meine Begleitung, sie habe dabei immer das ungute Gefühl, eine Leiche ans Kreuz genagelt zu sehen. Ich antwortete: „Das sagen einige Menschen, aber ich empfinde das nicht so!“ Dabei beließ ich es. Wie immer, wenn ich mündlich antworten muss, fehlen mir oft die richtigen Wörter. Deswegen liebe ich das Schreiben so. Man kann nachdenken, reflektieren und dann komplizierte Dinge viel besser ausdrücken. Erst beim Schreiben klärt sich alles.
Kreuz mit oder ohne Leid?
Über meine Antwort „ich empfinde das nicht so“ musste ich länger nachdenken. Es war ja nicht so, dass ich die Aussage meiner Begleitung gar nicht verstehen konnte. In einigen Klöstern habe ich im Gästebuch oder auch auf den entsprechenden Facebook-Seiten ab und an gelesen, dass ein Gast im Zimmer das Kreuz über dem Bett abgehängt hat, weil das augenfällige Leid störte. Ich weiß nicht, ob Klöster in ihren Gästezimmern deswegen oft die alten Kreuze durch moderne, entweder ganz ohne oder nur mit einem angedeuteten Korpus, ersetzen? Mir selbst ist das in Kloster Arenberg aufgefallen. Dort waren bis vor einigen Jahren noch die alten Kreuze an der Kopfwand zum Bett angebracht. Wenn man im Bett lag und nach oben schaute, sah man das nach vorne geneigte Haupt Jesu. So, als ob er auf einen herunter schaut. Ich fühlte mich nachts auch optisch behütet. Dieses Kreuz fehlt mir nun. Die neuen Kreuze in den Gästezimmern von Kloster Arenberg zeigen kein Leid und wirken irgendwie kälter.
An dieser Stelle will ich noch anfügen, dass ich mich selbst nicht zu den traditionellen, katholischen Kreisen zähle. Im Gegenteil. Und ich habe mir ernsthaft die Frage gestellt, warum gerade ich als Progressive hier offensichtlich konservativ empfinde? *_* Aber wie immer im Leben muss man wohl anerkennen, dass es sehr viele Grautöne und nicht nur die Farben schwarz und weiß gibt!!!
Warum ein altes Kreuz?
Erstens kenne ich es nicht anders, denn schon meine Großeltern hatten so ein Kreuz an der Wand. Alle Familienfeste wurden darunter gefeiert. Da war ich noch ein kleines Kind. Und heute gehe ich auf die 50 zu und habe dieses vertraute Kreuz geerbt. Nun lebe ich darunter. Es hat also auch mit dem Alter zu tun.
Aber was aus meiner Sicht viel schwerer wiegt: Das Bild des ans Kreuz genagelten Christus ist die Essenz unseres Glaubens. Wie kann ist das ausblenden? Jesus wurde gequält, qualvoll ans Kreuz genagelt und ist am Kreuz gestorben. Zum Wohl aller Menschen. Genau darum geht es doch im Christentum! Es ist die einzige Religion, in der Gott Mensch geworden ist; die einzige Religion, in der Gott so nah wie nur möglich, sogar bis ins Leid und den Tod, uns nahe gekommen ist. Gott weiß selbst, wie sich menschliches Leid, Verzweifelung, Todesangst und Tod anfühlen. Warum wollen viele Menschen nicht daran erinnert werden, wenn sie ein Kreuz mit herkömmlichem Korpus sehen? Mir persönlich hilft der Leidesanblick, wenn ich gerade selbst Leid empfinde. Gott versteht das gut, denke ich dann. Welch ein Trost, wenn Gott ganz sicher verstehen kann!
Wenn es mir wiederum gut geht, sehe ich beim Anblick des Kreuzes mit Korpus kein Leid. Dann sehe ich nur das Licht und die Hoffnung hinter dem Kreuz oder besser durch das Kreuz hindurch. Wie auf dem Blogbild angedeutet, das ich im Haus La Verna in Gengenbach aufgenommen habe. Es gibt auch viele künstlerische Darstellungen oder Bilder, die zwar die Kreuzigungsszene oder das Grab abbilden, aber im Hintergrund ist andeutungsweise das aufgehende Morgenlicht oder der Morgenstern schon zu sehen. Oder über dem Grabstein wachsen Rosen, als Zeichen, dass nichts verloren ist. Der Maler und Priester Sieger Köder konnte das gut über seine Bilder transportieren. Wir wissen, dass die Osternacht kommen wird. Wir können durch das Kreuz hindurch schauen. Ein kurzer Exkurs: Der kontemplative Mensch schaut hindurch, indem er von unten innen nach oben innen und gleichzeitig nach draußen schaut!
Und ich glaube, dass die Scheu vor dem leidenden und toten Jesu am Kreuz vor allem diejenigen Menschen befällt, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht dahinter schauen können. Wenn ich mich nicht mit etwas genauer beschäftige, und das gilt für alle Dinge im Leben, kann ich nur oberflächlich sehen, ich sehe nur das Äußere. Will ich etwas innerlich begreifen, muss ich mich geistig, geistlich damit befassen. Das erst ermöglicht einen Blick darüber hinaus. Als ich zum Beispiel in Singapur einen sehr schönen bunten Tempel von außen betrachtete und besonders die an der Front abgebildeten Kühe wie magisch meinen Blick anzogen, war ich ratlos!!! *_* Denn ich wusste und konnte das, was ich sah, nicht deuten oder einordnen. Mir fehlte die Einsicht, der innere Blick hinter die Kulissen. Und wenn Menschen aus einem anderen Kulturkreis oder einer anderen Religion vor dem Kreuz stehen, dann sehen sie natürlich nur einen ans Kreuz genagelten Menschen. Eine Leiche. Kein schöner Anblick. Wie ich vor dem Tempel nur die Kühe.
Karwoche: Von einem Extrem ins andere
Wir stehen vor Karfreitag, Karsamstag und vor der Osternacht. Karfreitag ist für mich immer schwer zu fassen. Nicht des Leidens wegen, denn das kann ja jeder Mensch nachvollziehen. Aber ich habe immer Probleme, an genau diesem Tag liturgisch und innerlich die Kreuzerhöhung und Kreuzverehrung zu verstehen. Eigentlich sollte das intuitiv ablaufen, aber ich muss dabei immer nachdenken, was ich da vor allem warum mache. Ich weiß nicht, ob es nur mir so ergeht? Manchmal liebe ich es liturgisch einfacher. Der Wahlspruch des Karthäuserordens lautet zum Beispiel: Das Kreuz steht fest während die Welt sich dreht! Das ist eine Aussage, die man sofort verstehen kann.
Besser nachempfinden kann ich den Karsamstag, den Tag der Grabesruhe. Ich mag diesen Tag überhaupt nicht, sogar noch weniger als Karfreitag. Denn der Karsamstag ist der einzige Tag im Jahr, an dem Gott weg ist. Also wirklich weg! Die Welt ist gefühlt gott- und schutzlos. Ich beschreibe hier natürlich nur meine Empfindung, egal ob das theologisch nun korrekt ist oder nicht. Aber an diesem Tag sitze ich alleine in der Kirche und betrachte äußerlich still Jesus im Grab (in unserer Kirche wird das sehr anschaulich dargestellt). Dabei habe ich ein ganz ungutes und unsicheres Gefühl. Karsamstag sollte ja still sein, man harrt im Vakuum aus und wartet. Aber in mir ist nur unheilvolle Unruhe. Dieser Tag ist schwierig, aber geistlich wiederum einfach zu greifen. Es ist der Tag im Jahr ohne alles.
Endlich Osternacht
In der Osternacht bin ich heilfroh, wenn das „Lumen Christi“ erschallt und die brennende Osterkerze hereingetragen wird. Wenn die vielen kleinen Kerzchen vor jedem Mensch in der Dunkelheit leuchten, für jeden ein Licht. Denn: Er kündigt sich an, kommt zurück! Die Dunkelheit besteht zwar noch, aber die Kerzen brennen. Der schönste Augenblick im ganzen Kirchenjahr ist dann gekommen, wenn das Exsultet, das Osterlob ertönt. Der nur von einer Person vorgetragene Gesang, die Melodie, der Text – alles steigt zusammen in einem einzigen Jauchzen aus der Dunkelheit in den Himmel auf. Das ist so wundervoll und einzigartig! Deswegen hier einfach nachfolgend dieser unglaubliche Text, den ich von der Homepage der Erzabtei Beuron übernommen habe. Hier finden Sie auch die ganze Liturgie der Osternacht im Wortlaut. Auf katholisch.de ist alles zum Exsultet nachzulesen. Es lohnt sich wirklich! Falls das bis jetzt noch nicht so richtig rüber kam: Das Exsultet ist mein mega-Hammer-Superlativ!!! *_*
Das Exsultet ertönt
„Frohlocket, ihr Chöre der Engel, frohlocket, ihr himmlischen Scharen, lasset die Posaune erschallen, preiset den Sieger, den erhabenen König! Lobsinge, du Erde, überstrahlt vom Glanz aus der Höhe! Licht des großen Königs umleuchtet dich. Siehe, geschwunden ist allerorten das Dunkel. Auch du freue dich, Mutter Kirche, umkleidet von Licht und herrlichem Glanze! Töne wider, heilige Halle, töne von des Volkes mächtigem Jubel. (…)
Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat.
Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat.
Dies ist die Nacht, die auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und einfügt in die heilige Kirche.
Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg. Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren, hätte uns nicht der Erlöser gerettet.
O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin! O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden! O wahrhaft selige Nacht, dir allein war es vergönnt, die Stunde zu kennen, in der Christus erstand von den Toten. Dies ist die Nacht, von der geschrieben steht: „Die Nacht wird hell wie der Tag, wie strahlendes Licht wird die Nacht mich umgeben.“ Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude. Weit vertreibt sie den Hass, sie einigt die Herzen und beugt die Gewalten.
In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater, nimm an das Abendopfer unseres Lobes, nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe! Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet, wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche durch die Hand ihrer Diener. So ist nun das Lob dieser kostbaren Kerze erklungen, die entzündet wurde am lodernden Feuer zum Ruhme des Höchsten.
Wenn auch ihr Licht sich in die Runde verteilt hat, so verlor es doch nichts von der Kraft seines Glanzes. Denn die Flamme wird genährt vom schmelzenden Wachs, das der Fleiß der Bienen für diese Kerze bereitet hat.
O wahrhaft selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, die Gott und Menschen verbindet! Darum bitten wir dich, o Herr: Geweiht zum Ruhm deines Namens, leuchte die Kerze fort, um in dieser Nacht das Dunkel zu vertreiben. Nimm sie an als lieblich duftendes Opfer, vermähle ihr Licht mit den Lichtern am Himmel. Sie leuchte, bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht; der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.“
Wenn Sie in der Osternacht mit geschlossenen Augen nur dem Exsultet lauschen, welche Worte sprechen Sie innerlich an? Welche Textzeile nehmen Sie mit in den Ostersonntag? Was klingt nach und weshalb?
Wie halten Sie es mit dem Kreuz an der Wand? Wie empfinden Sie die Tage der Karwoche? Wo wird es für Sie schwierig?